Dienstag, 27. Dezember 2016

Liebe Fluggäste, herzlich willkommen an Bord dieser Boeing 757-300!

Nachdem wir Ende Juli das Type Rating für die Boeing 757 erfolgreich abgeschlossen haben, stand uns mit dem Landetraining das nächste große Highlight bevor.
Wir sollten das erste Mal ein echtes, gut 120 Tonnen schweres und 54m langes Flugzeug selber fliegen sowie vor allem sicher landen - und damit das Erlernte aus dem Simulator umsetzen.
Dafür flogen wir Anfang August mit zwei erfahrenen Ausbildern von Frankfurt ins belgische Ostende - einem regionalen Flughafen an der Küste nahe Brügge. Da dort nur sehr wenige Flugbewegungen stattfinden, war er für uns ideal, denn jeder von uns musste mindestens 14 Touch & Gos fliegen, also landen und gleich wieder starten. Das ergibt also in der Summe mehrere hundert Landungen an zwei Tagen.
Unsere Aufregung war natürlich riesig, das war der Moment von dem wir so lange geträumt hatten!
Und dann ging es auch schon los, mit dem Callsign “Condor (CFG) 1“ hob der erste von uns ab, flog die Platzrunde und setzte zur ersten Landung an. Butterweich! Super Simon! Und so ging es Runde für Runde. Nach jeweils 6-8 Runden wechselten wir uns ab. Eigentlich wollte man gar nicht aufhören und gefühlt ging die Zeit sprichwörtlich wie im Fluge vorbei! Unser Ausbilder auf dem linken Platz half uns am Anfang natürlich und gab nützliche Tipps, doch mit jeder weiteren Landung wurden wir sicherer.



Am Abend haben wir dann gemeinsam an der Strandpromenade des belgischen Seebads gegessen und den ereignisreichen Abend gemütlich ausklingen lassen. Und plötzlich flog eine Boeing 757, die genauso aussah wie unsere, ebenfalls Platzrunden. Aber wir hatten den Flieger doch abgestellt und waren alle beim Essen? Was wir nicht wussten war, dass die Condor Schwester Thomas Cook Airlines UK ebenfalls an diesem Tag ein Landetraining vor Ort durchgeführt hat und mit einer eigenen Maschine vor Ort war.

Am nächsten Tag flogen wir unsere restlichen Touch & Gos und versuchten dabei die Leistungen vom Vortag zu festigen und zu optimieren, bevor wir uns wieder, sichtlich stolz, auf den Weg nach Frankfurt machten. Nun konnte unsere Lizenz, die sogenannte MPL, Multi Pilot Licence, beim Luftfahrtbundesamt beantragt werden.


In der Zwischenzeit konnten wir auf mehreren Flügen als zusätzliches Crewmitglied erneut Cockpitluft schnuppern und unseren Kollegen bei der Arbeit zusehen. Vor einem guten Jahr saßen wir schon einmal als ACM (Additional Crew Member) in einem 757 Cockpit, damals ergaben sich daraus noch viele Fragezeichen – heute wollten wir am liebsten gleich selbst zum Fliegen vorne rechts Platz nehmen.
Das war dann einige Tage später bei unserem ersten Flug des sogenannten Linetrainings möglich. Das Linetraining ist der letzte Abschnitt der Pilotenausbildung und umfasst die Schulung auf dem echten Flugzeug im regulären Linienbetrieb einer Fluggesellschaft. Dazu flogen wir mit erfahrenen Ausbildern der Condor und zunächst noch einem zusätzlichen Copiloten. Insgesamt umfasst das Linetraining etwa 50 Legs, also einzelne Flugabschnitte, die in mehrere Phasen eingeteilt sind.
Mein erster Flug mit Passagieren ging früh morgens von Hamburg nach Mallorca und zurück nach Köln. Auf dem Hinflug habe ich die Rolle des Pilot Monitorings, also primär den Funk sowie unterstützende Tätigkeiten, übernommen - das gab mir die Möglichkeit meine Aufregung abzubauen und meinem erfahrenen Kollegen über die Schulter zu schauen. Das zweite Leg war dann meins, ich durfte 275 Gäste aus ihrem Urlaub zurück ins Rheinland fliegen.
…und dann war es auf Mallorca soweit: „Condor 4CL, Runway 24L, cleared for Take Off“. Mit einer Geschwindigkeit von etwa 280 km/h hoben wir ab und stiegen auf Reiseflughöhe in Richtung Köln. Während des Fluges gab mir mein Ausbilder viele nützliche Hinweise, Feedback und besprach mit mir verschiedene Systeme des Flugzeugs. Etwa eine Stunde vor Beginn des Sinkflugs stand die Vorbereitung für die Landung an: Wir setzten die Frequenzen für Funkfeuer und Anflughilfen, überprüften den Anflug im Bordcomputer, holten aktuelle Wetterinformationen ein und berechneten die benötigte Landestrecke. Als wir im Final der Runway 14L kurz vor der Landung waren, wurde mir bewusst, dass ich erst im April als Flugschüler mit der PA44 genau hier angeflogen bin - Wahnsinn wie schnell die Zeit vergangen ist. Nach der Landung rollten wir zum Gate und bereiteten das Cockpit für unsere Kollegen vor, die den Flieger kurze Zeit später nach Antalya fliegen sollten.
So absolvierten wir einen Flug nach dem anderen und schon bald brauchten wir keinen zusätzlichen Copiloten mehr und waren nur noch zu zweit im Cockpit. Neben zunehmender Erfahrung und Routine kamen auch immer neue Flughäfen aus dem Condor Streckennetz dazu, die im Vorfeld gut vorbereitet wurden, da sie häufig spezifische Besonderheiten hinsichtlich des umgebenden Terrains, An-/Abflugprozeduren, Rollwegen oder Funkverfahren aufweisen.



Ende Oktober/Anfang November stand mit dem Final Check das Ende des Linetrainings und damit auch das Ende unserer Ausbildung an. Danach mussten wir noch den Linecheck fliegen, bei dem wir erstmalig mit einem „normalen“ Linienkapitän unterwegs waren und der Checker hinter uns saß und feststellen sollte, ob wir fit für den normalen Linienbetrieb seien. Wir haben es geschafft - ausgecheckt und linientauglich, echte Copiloten einer Boeing 757! Ziemlich genau zwei Jahre nach unserem ersten Tag an der Flugschule in Essen haben wir unseren großen Traum wahr gemacht.